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Uruguay - Haus mit Garten

Reise durch Uruguay


Haus mit Garten - Casa con jardin


Uruguay ist bekannt als Casa con Jardin: Das Haus ist Montevideo - das wirtschaftliche, kulturelle und politische Zentrum Uruguays - und der Garten steht für das Hinterland - endlos breit und flach mit mehr Tieren als Menschen. Die Küste von Uruguay hat lange und weiße Sandstrände, die durch große Dünen von der Küstenstraße getrennt sind und als die schönsten Strände im südlichen Teil Lateinamerikas gelten.

Atlántida

Ich verbrachte die meiste Zeit in Atlántida, einem entzückenden kleinen Dorf, 40 km von Montevideo entfernt. Das Zentrum von Atlántida hat einige Bars und Restaurants, ein Casino, einen Supermarkt, Boutiquen und ein paar Friseure – der beste Friseur ist übrigens PELO Y PIEL, dessen Besitzerin diese nette, wunderschöne deutsche Auswandererin ist, und eine meiner besten Freundinnen. Es finden sich auch kleine Kioscos an jeder Straßenecke. Viele Einwohner von Montevideo haben hier ihre Ferienhäuser. Während der Sommerferien explodiert das kleine Dorf, das im Winter so ruhig und verlassen ist. Als ich Mitte Dezember ankam, herrschte auf den Straßen immer noch ruhiges Treiben. Nur wenige Restaurants waren geöffnet.

Anfang Januar wurde dann das kleine Dorf wieder zum Leben erweckt. Nachts war viel los. Wir schlenderten über die Nachtmärkte, hörten Live-Musik in den Bars und beobachteten die Candombé-Spieler an den Straßenecken. Candombé wurde von den afrikanischen Sklaven nach Uruguay gebracht und wird insbesondere zur Karnevalssaison gespielt. Bereits wenige Wochen vor dem Karneval ziehen die sogenannten schwarzen Uruguayer mit Candombé-Trommeln durch die Straßen. Es gibt auch Shows der Murgas - verkleidete Gesangs- und Tanzgruppen, die gemeinsam singen und politische und soziale Ereignisse auf lustige und kritische Weise kommentieren. Als ich dort war, waren wir auch auf einem Konzert eines Murga-Sängers.

Atlántida ist durch die Routa (Autobahn) geteilt. Das Haus von meiner Freundin Katharina befand sich in der zweiten Hälfte, jenseits des Strandes und des Zentrums. Hier spürte man im Sommer nicht die Hektik des Dorfes.

Im Winter ist das Dorf ziemlich leer, deshalb kennt jeder jeden. Nachbarn, Freunde, Familie ... es ist wie eine große Familie. Sie treffen sich am Strand, machen Asados (Grillabende) oder setzen sich abends zusammen auf die Terrasse, spielen Gitarre und singen gemeinsam. Die Menschen sind sehr herzlich und freundlich. Obwohl die Kommunikation etwas kompliziert war (da ich nicht viel Spanisch konnte und kaum jemand Englisch sprach), waren alle stets bemüht, dass ich meine Zeit genoss.

Zur Begrüßung gibt es einen Kuss auf die Wange. Zu einer Party möchte man also nicht zu spät kommen, weil man sonst allen Partygesten jeweils ein Küsschen geben muss. Auf einer großen Hochzeit beispielsweise dauert es dann sehr lange, alle zu begrüßen. Deshalb geben die Uruguayos auch nur einen Kuss, weil zwei zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden.

Mir wurde klar, dass ich in einem südlichen Land war, als ich die ersten Anmachsprüche hörte. Einmal, als Katharina und ich Fahrrad fuhren, rief ein Junge: “Hey Mädels, da drüben müsst ihr vorsichtig sein ... ich habe gehört, sie stehlen Prinzessinnen!" In Uruguay wechseln Männer sogar ihre Hupe, um Mädchen anzubaggern. Sie klingen wie eine Pfeife. Man nennt das Chamuyo, wenn die Jungs große Anstrengungen unternehmen, um die Aufmerksamkeit eines Mädchens zu erlangen. Für mich war es etwas gewöhnungsbedürftig, aber immerhin waren die Sprüche ganz süß.

Punta del Diablo

Kurz nach meiner Ankunft machten wir einen zweitägigen Ausflug nach Punta del Diablo. Wir nahmen den Bus ganz früh morgens und fuhren vier Stunden gen Norden, vorbei an grünen Weiden und Palmenwäldern – den südlichsten Palmenwäldern der Welt, deren Existenz heute leider wegen der vielen Kühe, die dort grasen, in Gefahr ist.

Punta del Diablo ist ein unberührtes Fischerdorf in der Nähe der brasilianischen Grenze mit malerischen weißen Sandstränden, deren Bewohner als Fischer arbeiten oder Kunsthandwerk aus Muscheln verkaufen. Punta del Diablo gilt auch als das Aussteigerdorf Uruguays: nirgendwo anders im Land sieht man so viele Surfer und Leute mit Dreadlocks. Mitte Dezember war es nicht zu voll, so konnten wir in Ruhe chillen und genießen. Wir tranken ein frisches Bier in einer der Bars und aßen in einem der Fischrestaurants über den Klippen zu Abend.

Essen und Trinken in Uruguay

Ich habe schon vor meiner Ankunft in Uruguay gehört, dass dort viel Fleisch gegessen wird. Aber ich dachte immer, dass ich als Vegetarierin ziemlich tolerant bin. Hier musste mein armes vegetarisches Herz doch hin und wieder leiden. Bei den Grillenden, bei denen ich eingeladen war, wurden riesige Fleischstücke gegrillt und dann das noch blutende Stück auf den Tisch geworfen - * platsch *! Dann stocherten alle mir einer Gabel darin rum und aßen von einem Teller. Für mich kauften sie extra Gemüse und… den anderen schmeckte es tatsächlich auch und sie diskutierten darüber, warum sie es nicht öfter aßen. Wer weiß ... vielleicht würden sie jetzt ja wegen mir ihre Asado-Traditionen ändern ;-)

Auf einem Grill liegen Würstchen, Steaks und Paprika.
Ein typisches "asado" in Montevideo (c) Flickr.com/Christian Ostrosky

Das Nationalgetränk ist Maté. Egal ob morgens auf dem Weg zur Arbeit oder nachmittags am Strand - überall und zu jeder Tageszeit sieht man Menschen mit ihrer Thermosflasche unter dem Arm und dem Becher mit der Bombilla (dem Strohalm) in der anderen Hand.

 

Feiertage in Uruguay

Als Katharina und ich auf unseren Fahrrädern durch Atlántida fuhren, erinnerte sie mich daran, dass es bald Weihnachten sein würde. Bei dieser Hitze von 30°C hatte ich das total vergessen. In einigen Vorgärten standen tatsächlich Weihnachtsbäume, die mit bunten Lichtern und Ornamenten geschmückt waren, im Supermarkt wurden spanische Weihnachtslieder gespielt und die Schlangen an den Kassen wurden immer länger, je näher der Heiligabend rückte.

Wir verbrachten Heiligabend bei einer Tante von Katharinas damaligem Freund. Wir machten uns zu Hause schick und gingen gegen 22 Uhr zu ihr. Dort war die ganze Familie noch im Schlafanzug und stand gerade von einem kleinen Nickerchen auf. Alles war sehr locker. Dann aßen wir zu Abend und nach und nach machten sich die Kinder für die Nacht fertig und Katharina ihre Frisuren – wie schön, eine Friseurin in der Familie zu haben. Um Mitternacht gingen wir alle mit unseren Gläsern Sekt auf die Straße, sahen uns das Feuerwerk an und wünschten allen frohe Weihnachten. Und dann ging es zur nächsten Party mit anderen Freunden und deren Familien bis wir dann in den Morgenstunden schließlich in die Piedra Lisa gingen, dem einzigen Nachtclub im Dorf.

Silvester lief so ähnlich ab. Zuerst gingen wir zu Verwandten der Nachbarn. Dort gab es Fingerfood und Getränke. Irgendwann packte einer die Gitarre aus und alle sangen und tanzten mit. Sogar die 80-jährige Oma stand mit ihrem kleinen Geh-Wagen auf und tanzte mit. Alle klatschten in die Hände und feierten mit ihr, bis sie zu Tränen gerührt war. Um Mitternacht gingen wir auf die Straße, um das Feuerwerk zu sehen und wünschten allen ein frohes neues Jahr.

Eine uruguayische Tradition ist es, einen lehren Koffer zu nehmen und damit in der Silvesternacht um den Block zu laufen. Damit erhofft man sich im kommenden Jahr eine große Reise zumachen.

Danach ging es wieder in den Club Piedra Lisa und wir tanzten bis zum Sonnenaufgang…

Montevideo - Metropole und kulturelles Zentrum Uruguays

Montevideo zählt zu den zehn sichersten Städten Lateinamerikas und soll außerdem die höchste Lebensqualität in Südamerika haben. Es ist wirklich eine wunderschöne Stadt mit vielen alten Gebäuden, teils in gutem, teils in schlechtem Zustand, Straßenhändler verkaufen ihre Waren auf der Avenida de 18 Julio, im  Parrillada (einem Grill) im Mercado del Puerto riecht es nach Grillfleisch und an vielen ruhigen und schattigen Plätzen findet man Ruhe im Getümmel.

Die Altstadt von Montevideo ist ein Viertel der Kontraste: Ein wunderschöner Prachtbau im Kolonialstil steht neben einem  funktionalen Gebäude aus der Militärdiktatur, in dem heute große Banken angesiedelt sind. Hin und wieder kann man in die Eingänge der Villen spinksen und prachtvolle Marmortreppen noch aus einer anderen Zeit sehen.

Obwohl Montevideo als sehr sicher galt, war da immer noch ein Problem: PACO (Pasta básica de cocaina), eine neue Droge, die aus Resten von Kokain hergestellt wird. Sie ist die Droge der Armen und macht sie noch ärmer. Diese Droge ist billig und daher in den Slums und armen Vierteln sehr beliebt. Seit der Wirtschaftskrise von 2001 hat sich Paco stark verbreitet. Tausende hatten ihre Arbeit verloren und mussten von der sozialen Wohlfahrt leben. Abhängige benötigen bis zu 300 Einzeldosen pro Tag, viele können es sich aber nicht leisten. Infolgedessen stehlen sie Geld, um die nächste Dosis zu kaufen. Die Süchtigen kamen nach und nach auch in die Vororte von Montevideo, um dort zu stehlen. Auch in Atlántida gab es viele Raubüberfälle. Die Regierung wollte das Drogenverbrechen bekämpfen, doch wendete eine etwas andere Methoden an: Sie wollte den legalen Verkauf von Drogen ermöglichen. Zumindest Marihuana sollte legalisiert werden. Sogar der damalige Staatssekretär demonstrierte seinen toleranten Umgang mit der Droge indem er vor laufender Kamera einen Joint rauchte. Es ist noch immer zweifelhaft, ob dies wirklich der richtige Lösung für das Problem ist. Schließlich haben auch die Niederlande inzwischen ihren Kurs wieder geändert…

Uruguays Politik und Gesellschaft

In Uruguay schien die Zeit etwas langsamer zu ticken. Ich hatte oft das Gefühl, zurück in die 1960ern oder 1970ern versetzt worden zu sein.  Hier kam der Wassermann zu einem nach Hause, um das Wasser zu bringen und auch das Gas für den Gasofen wurde geliefert. Hier waren die Eltern konservativ und stritten sich mit ihren Kindern über Politik. Die Kinder wollten die Welt verändern, die Welt verbessern, die Welt revolutionieren. Sie hörten Bob Marley und die Beatles, diskutierten über politische Themen und gründeten sogar ihre eigenen politischen Parteien. Wenn man es aus historischer Sicht betrachtet, versteht man auch warum das so war. Während in weiten Teilen der Welt die 68er-Bewegung wuchs, herrschte in Uruguay fast 12 Jahre lang eine Militärdiktatur: brutaler und endloser Terror. Das Militär verbot die Meinungsfreiheit, schloss die Universitäten und rief Berufsverbote aus. Tausende Menschen wurden gefoltert und einige verschwanden spurlos. Erst 1985 wurde Uruguay wieder ein demokratischer Staat, aber dies geschah sehr unauffällig. Die Menschen hatten Angst und waren skeptisch, was man beim Wahlergebnis von 1989 sah: 56% stimmten für die Immunität von strafrechtlicher Verfolgung des Militärs.

Dann kam die Wirtschaftskrise von 2001, die Uruguay besonders hart traf. Viele Menschen verloren ihre Jobs und konnten sich nichts mehr zu essen kaufen. Auch Menschen in meinem Alter mussten zu dieser Zeit schwer leiden. Vielleicht waren deshalb die jungen Erwachsenen politisch sehr aktiv. Dies war eine Bewegung, die ich in meinem eigenen Land ein wenig vermisste. Vielleicht hatten wir in Deutschland einfach weniger Probleme oder wir vergaßen zu schnell, was in der Vergangenheit passiert war ...

Alte Straße in Colonia mit Pflastersteinen, rechts stehen zwei alte schwarze Autos, schätzungsweise aus den 1920er Jahren.
In Colonia, der ältesten Stadt Uruguays sieht man sie noch, die Oldtimer. (c) Flickr.com/Frank Kehren

Während meiner Zeit in Uruguay ging es dem Land schon viel besser. Auch Freunde von Katharina kauften sich vermehrt Autos. Die Oldtimer, die früher auch den Flair Uruguays ausgemacht hatten, wurden durch neue Autos ersetzt. Am Straßenrand waren oft Oldtimer-Friedhöfe zu sehen. Deutsche Auswanderer mochten das nicht so sehr. Sie sagten, Uruguay’s Charme würde darunter leiden. Das hab ich nicht verstanden... Was hieß das also? Sollte die Wirtschaft am Boden bleiben, nur um den Charme für die Touristen zu erhalten?! Es ist doch schön zu sehen, dass es dem Land wirtschaftlich immer besser geht.

Generell gibt es in Uruguay viele deutsche Auswanderer. "Warum Uruguay?”, wollte ich wissen. Die Antwort war einfach. Europa ist zu teuer. Für Nordamerika und Australien ist es zu schwierig, ein Visum zu bekommen. Die meisten Länder in Mittel- und Südamerika sind zu gefährlich. Bleibt noch Chile und Uruguay. In Chile gibt es Erdbeben… also gehen viele Auswanderer nach Uruguay. Deutsche Auswanderer kamen gerne in Katharinas Friseursalon und unterhielten sich über Gott und die Welt.

Als ich einmal dort war, kam eine Frau aus Frechen (bei Köln) herein, um sich die Haare machen zu lassen. Sie lebte seit 5 Jahren in Atlántida, ihr Freund war Uruguayaner und sie hatten gerade einen Campo (Land) von fast 5 Hektar gekauft. Sie bauten ein Haus und einen Stall, um Pferde zu kaufen. „Und was machst du hier so”, fragte ich sie. 

„Naja, wir haben im Haus viel zu tun. Das wird wohl eine Weile dauern. Meiner (damit meinte sie ihren Freund) hat dann im Haus eine Garage, um dies und das zu bauen, und ich baue einen großen Garten an, in dem ich Gemüse und Obst pflanze, das ich dann verkaufen kann.“ 

Ich fand das wirklich beneidenswert. Sie sprach in einer so ruhigen Weise, als würde sie keine Sorgen vor der Zukunft haben. Als ich mir ihre Geschichte so anhörte, überlegte ich, wie es wohl wäre, ein Leben in Uruguay zu beginnen…

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