Hier geht's zum Teil 1 unserer Elternzeit in Portugal!
Elternzeit in Portugal – Teil 5: Rota Vicentina
Der Fishermen’s Trail und ein wehmütiger Abschied voller Vorfreude auf zu Hause
Saudade ... was für ein wunderschönes Wort! Es steht für das nostalgische Gefühl, etwas Geliebtes verloren zu haben und, die Sehnsucht nach dem Verlorenen niemals stillen zu können. Saudade ist dieses leere Gefühl, das wir zum Beispiel empfinden, wenn die Person, die wir lieben, weit weg ist oder es ist die warme Brise, die die Erinnerung an unser Zuhause erweckt. Es ist auch das Gefühl, das von einer glücklichen Erinnerung stammt und gleichzeitig wehtut. Saudade ist keine per se negative Stimmung, sondern wird sogar oft herbeigesehnt. Der Fado, der portugiesische Chanson, erzählt oft Geschichten dieser unstillbaren Sehnsucht. 2007 erlangte das Wort Saudade sogar Platz sechs auf der Liste der zehn schönsten Wörter der Welt.
Saudade beschreibt auch genau die Stimmung, die ich empfunden habe, als sich unsere Elternzeit in Portugal dem Ende zuneigte…
Nach ein paar sehr erlebnisreichen Tagen in Lissabon waren wir nun wieder mit einem Mietwagen in unser Häuschen in Aljezur zurückgereist. Unser eigenes Auto befand sich immer noch in der Werkstatt in Lissabon. Noch eine Woche blieb uns, dann sollte Lilly’s* und mein Flieger zurück nach Frankfurt gehen und Papa Fany* sollte uns mit all dem Gepäck im Auto folgen. Das Regenwetter hatte nachgelassen und die Wolken machten Platz für die wohltuende Herbstsonne.
Babys Entwicklung in Portugal - Frische Seeluft und die letzten Sonnenstrahlen
Baby Lilly brauchten die ganzen Strapazen um das Auto nicht zu interessieren. Sie war nun drei Monate und eine Woche alt und interessierte sich nur für ihre Mama. Alles was ich machte wurde genauestens beobachtet.
Der Großstadttrubel in Lissabon schien Lilly gefallen zu haben. Sie wirkte auf einmal viel wacher. Das lag vielleicht auch daran, dass sie nun ihren Kopf richtig halten konnte und der Hals immer länger wurde.
Das kölsche Einschlaflied, dass ich ihr seit ihrer Geburt vorsang, konnte sie mittlerweile mitsummen. Und auch sonst war sie sehr redselig. Beim Wickeln oder Autofahren lallte sie vor sich hin und schien dabei gar keine Konversation mit Mama oder Papa anzustreben. Sie war sich vollkommen genug!
Ihre Erkenntnis über die Existenz ihrer Hände und Arme hatte sich nun weiterentwickelt. Sie streckte beide Hände in die Luft, als würde sie sagen wollen: “Nehmt mich in den Arm”. Sie mochte es auch, geküsst zu werden. Dann strahlte sie übers ganze Gesicht, riss den Mund auf und sah uns ganz verliebt an. Wenn ich sie dann hoch nahm, kuschelte sie sich richtig in meinen Arm hinein.
Wandern auf dem Fishermen’s Trail - Der Weg ist das Ziel
Vom Fishermen’s Trail, bzw. der Rota Vicentina, hatte ich schon viel gehört und gelesen. Aber ich dachte mit kleinem Baby ist so eine Wanderung nicht möglich. Eines Tages sind wir durch Zufall auf einen Teilabschnitt des berühmten Fishermen’s Trail gestoßen und sind einfach mal los gelaufen…
Die Rota Vicentina ist eine Wanderroute, die insgesamt ca. 400 km an der Westküste der Algarve entlangführt und gilt als einer der besten Küstenwege weltweit. Als Wanderer bekommt man hier ein einmaliges Naturerlebnis, man wird begleitet vom wilden Ozean zwischen schroffen Klippen, endlosen Blumenfeldern und kilometerlangen weißen Sandstränden. Der Wanderweg entspricht auch dem Tourismuskonzept der Region, das keinen organisierten Massentourismus anstrebt, sondern sich an Individualreisende wendet.
Die Rota Vicentina besteht aus zwei Hauptwanderwegen und acht Rundwegen. Der "Caminho Histórico" (historischer Weg) geht von Santiago do Cacém bis zum Kap Cabo de São Vicente, am südwestlichsten Zipfel des europäischen Festlandes. Die 230 km lange Strecke verläuft durch das stille Hinterland mit Wäldern samt dschungelartiger Flussdeltas, Städten und kleinen Dörfern. Der "Trilho dos Pescadores" (Fischerpfad) verläuft dagegen immer in der Nähe des Atlantiks, zwischen Porto Covo und Lagos, auf kleinen Pfaden, die zu Stränden und Fischereistellen führen. Die Strecke von insgesamt 125 Kilometer ist körperlich anspruchsvoller, da die Wege durch Dünen und tiefen Sand führen. Dafür wartet hinter jeder Düne ein neuer atemberaubender Meeresblick. Der weiße Sand bildet einen schroffen Kontrast zu den orange-roten Felsen und dem intensiven Blau des Meeres.
Unsere Teilstrecke des Fishermen’s Trail fing in Lagos an, also dort, wo die Wanderer des Fishermen’s Trail üblicherweise ankommen. Wir machten uns auf in Richtung Praia da Luz. Alleine durch Fotos und Worte lässt sich schwer beschreiben, wie schön es hier ist. Lilly schlief im Tragetuch und wir genossen die gigantische Kulisse und die Weiten des atlantischen Ozeans. Die Sonne glitzerte auf dem Meer und der Wind schenkte eine angenehme Brise bei der körperlichen Betätigung. Wir kamen nochmal richtig zur Ruhe und saugten die fast spirituelle Atmosphäre auf.
Und ich bin mir sicher, irgendwann werde ich mich auch auf den Weg machen - dann ohne Baby, aber vielleicht mit einer älteren Tochter. Wir werden den Fishermen's Trail entlang laufen und diese einmalige Natur gemeinsam erleben, natürlich ohne Spuren zu hinterlassen, damit dieses wunderschöne Fleckchen Natur erhalten bleibt.
Die letzten Tage genießen …. Saudade
In unserem kleinen Häuschen in Aljezur machten wir es uns nochmal richtig gemütlich. Die portugiesischen Herbstnächte waren mittlerweile ziemlich kalt. Aber nach und nach wurden wir zu Profis in Sachen Holz hacken und Feuer machen und es wurde schön kuschelig in unserer Hütte.
Immer mal wieder fuhren wir zu den schönen Stränden von Aljezur, um den Blick und die Luft aufzusaugen mit dem Wunsch, diesen Augenblick einfach für immer in unserer Erinnerung fest halten zu können. Und da war es wieder, das Gefühl dieser Sehnsucht, die sich bald einstellen würde… Saudade.
Ankunft zu Hause
Einen Tag vor unserer Abreise sollte auch endlich das Auto in der Werkstatt bereit zum Abholen sein. Fany fuhr mit dem Mietauto nach Lissabon und Lilly und ich blieben im Häuschen in Aljezur und packten alles zusammen. Kurz vor den Toren von Lissabon kam der Anruf aus der Werkstatt, dass das Auto vielleicht heute doch nicht fertig sein würde. Nunu, der Automechaniker, versprach trotzdem ganz hart daran zuarbeiten und sogar noch eine Nachtschicht einzulegen. Fany setzte sich derweil in eins der Bistros in Lissabon und wartete auf Info aus der Werkstatt. Gegen 22 Uhr dann die Nachricht, dass das Auto definitiv erst am nächsten Tag fertig sein würde. Also buchte Fany einen neuen Mietwagen und kam mitten in der Nacht bei uns in Aljezur an, nur um uns morgens zum Flughafen nach Faro zu bringen und dann wieder nach Lissabon zu fahren. Auch als er mittags dort ankam, war das Auto noch nicht fertig, der Lack musste noch trocknen. Nachmittags war es dann aber endlich so weit. Einmal noch durch den Berufsverkehr in Lissabon, inklusive Polizeistreik und Straßensperrung, und dann war auch Papa Fany endlich auf dem Heimweg.
Lilly und ich haben derweil den Flug nach Frankfurt am Main gemeistert. Einzig bei der Gepäckkontrolle war sie unzufrieden, dass sie im Kinderwagen liegen musste und nicht auf meinen Arm konnte. Bevor ich sie danach hoch nehmen konnte, war sie aber schon eingeschlafen. Und abends war es endlich so weit: Der Moment, als wir wieder in die Wohnung kamen, war unglaublich schön. Lilly hatte die ersten acht Wochen ihres Lebens in dieser Wohnung verbracht und hat dann sechs Wochen lang in einem anderen Land gelebt, mit anderen Farben, anderen Gerüchen, einem anderen Klima, also fast ihr halbes Leben lang. Jetzt waren wir wieder im herbstlich kalten Deutschland. Und ich hatte das Gefühl, dass sie sich erinnern konnte. Sie strahlte über beide Ohren, als wir zuhause waren. Vielleicht hat sie aber auch gemerkt, wie glücklich ich war, endlich wieder zu Hause zu sein. Zwei Tage später hatte es auch Fany geschafft. Müde aber überglücklich wieder zu Hause zu sein, kam er heil bei uns in Frankfurt an. Wie schön das Reisen auch ist, nichts ist so schön wie das eigene Zuhause!
Rückblick auf unsere Elternzeit in Portugal
Unsere Elternzeit in Portugal war wunderschön. Es hat uns als Familie noch einmal mehr zusammen geschweißt und vor allem Lilly und ihr Papa konnten eine sehr intensive Zeit miteinander verbringen. Wir hatten viel Pech, aber es ist nichts kaputt gegangen, was wir nicht ersetzen konnten. Die Hauptsache ist, dass wir alle gesund geblieben sind und ganz wundervolle Erinnerungen an unsere Elternzeit mit nach Hause nehmen konnten.
Lesson Learned: Beim nächsten Mal - sollte sich nochmal die Gelegenheit ergeben - würde ich allerdings warten, bis das Baby ein bisschen älter ist. Ein sechs Monate altes Baby hat zum Beispiel den Vorteil, dass es sich immer noch Pudelwohl im Tragetuch fühlt, aber schon viel mehr von der Umgebung mitbekommt. Kleinere Babys sind noch so sehr schutzbedürftig und brauchen ihre Mama. Den kleinen Babys ist da völlig egal, wo sie sind, ob am Strand, in den Bergen oder zu Hause in einer Stadtwohnung. Mit einem halben Jahr sind sie dagegen schon wissbegieriger und können viel mehr von der wunderschönen Welt aufsaugen.
Außerdem würde ich wahrscheinlich nicht noch einmal mit dem Auto so weit wegfahren. Der Vorteil war, dass wir im Auto viel Gepäck mitnehmen konnten. Wenn man die Reise aber im Sommer antritt, kann man auch ein Reiseziel wählen, dass nicht so weit weg liegt. Oder man wählt tatsächlich ein Fernreiseziel und alle steigen gemeinsam in den Flieger. Die Möglichkeiten sind ja wirklich grenzenlos.
Als Lilly sechs Monate alt war, haben wir mit ihr ein Städtetrip nach Paris gemacht. Das war toll und sie kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Reisebericht “Im Tagebuch durch Paris” folgt in Kürze.
Was sind eure liebsten Reiseziel für einen Urlaub mit Kleinkindern?
* Namen geändert.