Äthiopiens Hochland
Atemberaubendes Simien-Gebirge - Schöne, alte Kaiserstadt Gondar
Am nächsten Tag ging meine Reise weiter. Nach einer vierstündigen Minibus-Tour erreichte ich Gondar. Die Stadt am Simien-Gebirge liegt nicht nur landschaftlich eindrucksvoll, sie hat auch kulturell viel zu bieten. Ich stieg aus dem Bus aus und wurde gleich schon vom nächsten Tour Guide empfangen, als hätte er von seinem Kumpel vom Lake Tana die Info erhalten, dass ich komme. Er verkaufte mir den nächsten Ausflug. Gleich am nächsten Tag in der Früh sollte es nach Kassoya, ins Simien-Gebirge gehen.
Kassoya - Bergwanderung durch das Simien-Gebirge
Ein alter Safari Bus holte mich am nächsten Morgen vom Hotel ab. Im Bus warteten bereits der Fahrer, der Tour Guide und zwei weitere Touristen. Der Tour Guide fing an, uns von Äthiopien zu berichten und über sein Leben. Andy hieß er, aber jeder nannte ihn Dude. Wenn er Englisch sprach, hatte er fast schon einen US-amerikanischen Akzent. Seine Mutter hat ihm Englisch beigebracht, sagte er. "Äthiopien ist nicht so, wie es Europa und die USA in den Nachrichten darstellen. Seht ihr nicht, wie grün es hier ist? Uns geht es gut! Wir leiden nicht an Hunger. Wir essen drei Mahlzeiten am Tag", erzählte er uns. Weiter berichtete er von seinen Hobbies, von der Schule und seinem Job als Tour Guide. Währenddessen bog der Bus ab von der Hauptstraße auf eine Schotterpiste mitten durch die grünen Hügel von Kassoya.
In Kassoya stiegen wir aus dem Bus. Durch den vielen Regen war der Boden immer noch matschig. Der Simien-Nationalpark ist ca. 179 Quadratkilometer groß und ist vor allem durch seine beeindruckende Berglandschaft bekannt. Das Gebirge umfasst Höhenlagen von 1900 bis über 4500 Metern über dem Meeresspiegel. Hier liegt auch der höchste Berge Äthiopiens, der Ras Dashan mit 4533 Metern. Wegen seiner biologischen Bedeutung gehört der Simien-Nationalpark zum UNESCO-Weltnaturerbe. Bevor unsere Wanderung durch den Simien-Nationalpark losging, stieß noch ein anderer Tour Guide zu uns. Es schien, als käme er direkt aus den Simien-Bergen. In seiner Nähe fühlte ich mich irgendwie sicher. Auf einem kleinen Pfad ging die Wanderung los, Hügel rauf und Hügel runter, über kleine Bäche und durch Eukalyptuswälder. Wir kamen an einer bizarren Berglandschaft vorbei mit erstaunlichen Schluchten und Hängen, wanderten über Abbas (Tafelberge) und über gefährliche Serpentinen. Auf dem Weg trafen wir einen kleinen Jungen, der seine Pferde über die Berghügel jagte. Frauen kamen an uns vorbei, die Feuerholz auf ihren Köpfen transportierten. Ab und zu sahen wir einige Baboo-Gruppen (Bergaffen), die einen Mittagsschlaf in der Sonne machten, sich zum gemeinschaftlichen Mittagessen trafen oder sich gegenseitig über die Berge und Klippen jagten, um zu beweisen, wer der Stärkste war.
Der Pfad führte uns weiter durch eine matschige Wiese, entlang eines Wasserfalls und durch dichtes Gebüsch... und die ganze Zeit ziemlich dicht am steilen Abhang. Es erforderte hohe Konzentration, die tolle Landschaft zu bestaunen und gleichzeitig immer zu schauen, wo der nächste Schritt hinführte oder an welchen Stein oder Busch man sich festhalten musste, falls man ausrutschte - während wir Dudes Geschichten zuhörten. Er erzählte angeregt über die Gegend, die Menschen, die hier lebten, die Tiere und die Pflanzen. Ich ging einen Schritt weiter, und "patsch": der Boden unter meinen Füßen rutschte weg. Ich fiel auf meinen Hintern und rutschte zwei Meter den Abhang hinab. Irgendwie schaffte ich es, mich an Ästen festzuhalten und so zum Halt zu kommen. Glück gehabt. Außer einem kleinen Schock war nichts passiert und wir konnten weiter gehen. Noch ein paar Schritte und wir hatten es geschafft.
Wir waren an einem Aussichtspunkt angekommen und es schien, als läge uns Afrika zu Füßen. Wir machten eine kleine Snackpause und genossen die atemberaubende Schönheit der Aussicht.
Der Rückweg war nicht ganz so erschwerlich wie der Hinweg und so plauderte ich ein Bisschen mit Dude. Seine Mutter lebte ca. 40 km von Gondar entfernt auf dem Land. Nachdem ihr Ehemann verstorben war, konnte sie sich nicht mehr alleine um ihre neun Kinder kümmern. So war Dude mit nur elf Jahren auf sich allein gestellt. Er zog nach Gondar und begann als Tour Guide zu arbeiten. Zwei Jahre lang konnte er nicht zur Schule gehen, weil er sich die Schulgebühren nicht mehr leisten konnte. Um später einmal eine bessere Chance zu haben, an der Universität aufgenommen zu werden, besuchte er eine Privatschule. Er wollte unbedingt Tourismus studieren. Nun war er 21 Jahre alt und besuchte die 10. Klasse. In zwei Jahren sollte er seinen High School Abschluss machen. Sein Apartment kostete 400 Birr, die Schulgebühren 200 Birr im Monat. Zudem musste er noch für Schuluniform, Bücher und Schulessen bezahlen. Für den Ausflug mit uns bekam er 58 Birr. Ein hartes Leben also. Auf mich wirkte Dude sehr reif und erwachsen. Mit seinen 21 Jahren hatte er schon sehr schwere Zeiten durchlebt und einen starken Charakter entwickelt.
Bei all den Gesprächen mit den Menschen, die ich in Äthiopien traf, wurde mir Eines klar: Religion und Traditionen sind im Äthiopischen Leben tief verankert. “Lesben und Schwule,” sagte Dude, “Ich hasse sie! Es gibt nichts Schlimmeres!” “Warum?”, fragte ich ihn. “Naja, sogar in der Bibel steht, Du sollst viele Kinder haben. Und wie soll das gehen bei Schwulen und Lesben? Die können keine Kinder haben. Jeder sollte eine große Familie haben, weißt Du?!” “Steht in der Bibel nicht auch ‘Liebe Deinen Nächsten’ und ‘Sei zu allen nett’?” Dude antwortete nicht auf meine Frage und ändert das Thema. Später las ich in meinem Reiseführer, dass Homosexualität eine Todsünde ist in Äthiopien. Wenn man erwischt wird, gibt es eine hohe Strafe. Touristen sollten das Thema besser vermeiden… Gut zu wissen!
Äthiopisches Kaiserreich - Alter Palastbezirk Gondar
Am nächsten Tag besichtigte ich noch den alten Palastbezirk Fasil Ghebbi in Gondar. Gegründet wurde die Stadt in der Antike von Kaiser Fasilidas. Bereits im 17. Jahrhundert war Gondar die Hauptstadt von Äthiopien und zudem eine wichtige Handelsstadt im Hochland. So kam die Stadt schnell zu enormen Reichtum und Ansehen. Zu dem wunderschönen Palastbezirk mit seinen herrlichen Palastgärten gehören die Paläste von Fasilidas und seiner Familie und nachfolgenden Kaisern, eine Bibliothek und die eindrucksvolle Stadtmauer mit ihren viele Toren. Durch Plünderungen im 19. Jahrhundert hat die Kaiserstadt zwar an ihrer Schönheit verloren, doch die Gebäude sind immer noch gut erhalten, die Gärten gepflegt. Der ehemalige Palastbezirk wurde deshalb von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Wirklich sehr beeindruckend, aber schaut doch selbst...
Und hier noch ein paar Eindrücke der Stadt Gondar...
Am darauffolgenden Tag war das Äthiopisches Neujahrsfest und ich wollte meine Reise fortsetzen und nach Lalibela fahren. Lest hier meinen nächsten Äthiopien Blogpost über das eilige Land Lalibela Teil 1.